SCHWANGER


Michaela Lemmed

Er erwachte beim ersten Zwitschern der Vögel, draußen im Garten. Durch die Jalousien drang bereits Sonnenlicht. Er räkelte sich ein wenig und spürte die Wärme, die vom Körper Martinas ausging. Sie lag mit dem Rücken zu ihm und er kuschelte sich dicht an sie. In seinem Leib spürte er, wie sich ihr gemeinsames Kind bewegte und eine Welle der Dankbarkeit und Liebe überflutete ihn.

 


Martina rückte ein wenig von ihm ab und murmelte etwas Unverständliches in den Polster. Peter gab es einen leichten Stich. Martina, die Liebe seines Lebens, hatte sich in den letzten Monaten während seiner Schwangerschaft verändert. Er wusste nicht, ob er sich das nur einbildete, oder ob er seiner Wahrnehmung trauen sollte. Sie rückte innerlich von ihm ab, zumindest bildete er sich das ein. Ihre Stimme und ihre gesamte Haltung drückte plötzlich Distanz zu ihm aus. Seit wann? Ihm war es so, als hätte es begonnen, als er ihr mitteilte, dass er schwanger war. 



Damals reagierte sie in einer Weise, die ihn kurz aus der Fassung brachte. „Schon?“ und „Wolltest du nicht erst in deinem Job besser Fuß fassen?“ „Ich dachte… nein, es ist wunderschön. Ich freu‘ mich so“, sie wurde damals rot im Gesicht. In seinem Überschwang der Freude registrierte er dies zwar am Rande, aber er wollte dieses kurze Zögern nicht sehen. Nicht jetzt, wo er schwanger war. Er wollte sich dieses Gefühl der Freude nicht nehmen lassen. Job hin, oder her. Egal, irgendwie wird er das schon schaffen. Jetzt wollte er nicht an seinen Job denken, zu dem ihm Martina vor zwei Jahren verholfen hat. 


Er war Assistent einer ziemlich erfolgreichen jungen Aufsteigerin, Herma, die mit ihren roten Haaren und ihrer Dynamik jedermann bei Ohlsens Unternehmensberatung in den Bann zog und deren beruflicher Aufstieg als Junior-Partnerin der alten Ohlsen ungewöhnlich schnell voranging. Sie wurde in die wichtigsten Unternehmensentscheidungen miteinbezogen, die gewöhnlich nur den beiden Gründerinnen Inge Ohlsen und Franka Brandtner vorbehalten waren. Herma war dabei, wenn es darum ging, die wichtigsten Geschäftsfelder fürs neue Geschäftsjahr zu benennen, wenn es um Zahlen ging und Kosten, die zu steigern oder zu senken waren. Herma wurde einbezogen und fand bei beiden Unterstützung und Vertrauen. Peter als ihr Assistent hätte jetzt die Möglichkeit gehabt, mit aufzusteigen, sich wirklich unentbehrlich zu machen und für Herma als unverzichtbarer Teil ihres Jobs zu werden.